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Stage

Die kleine Meerjungfrau

von Silvia Armbruster nach Hans Christian Andersen

 

Regie: Johannes Schmid
Choreographie: Anna Holter
Bühne: Marie Holzer
Kostüme: Pascale Martin
Musik: Stefan Leibold, Dirk Handreke
Dramaturgie: Miriam Reimers

 

mit: Anna Hertz, Monika Kocher, Kristin Muthwill, Jessica Rust, Thomas Ecke, Michael J. Müller und als Live-Musiker Stefan Leibold (electronics), Jörg Walesch (violine)

 

Premiere: 20.11.2010, 15 Uhr, Theater Konstanz/Großes Haus
44 Vorstellungen!

 

Weit draußen, dort, wo das Meer besonders blau ist, träumt die kleine Meerjungfrau von der Menschenwelt. Als sie einem jungen Prinzen das Leben rettet, gibt sie alles auf, um seine Liebe zu gewinnen: ihr Zuhause, ihre Familie, ja sogar ihre wunderschöne Stimme. Fortan schmerzt jeder ihrer Schritte, als ginge sie auf Messern. Und ihre Liebe wird auf eine harte Probe gestellt, denn der Prinz soll eine andere Frau heiraten …

 

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Presse

 

Auf dem Meeresboden ist man lieb und freundlich zueinander. Die Meergroßmutter liest ihren Enkelinnen, den Meerjungfrauen, Geschichten vor. Dabei grüßt sie selbstverständlich fröhlich vorbeischwimmende Mitbewohner. In der Wasserwelt gibt es keine zerstörerische Leidenschaft und deshalb auch keine Eifersucht. Zumindest diese Meerwelt ist in Ordnung. Nur die jüngste der Meerjungfrauen treibt eine tiefe Sehnsucht nach „oben droben“, nach den Menschen auf zwei Beinen, auf „Stumpen“, wie ihre beiden lustigen Schwestern sagen. Das hat sie wohl von der Großmutter, die einen Moment lang angesichts der Träumereien ihrer Enkelin selbst ganz melancholisch dreinschaut. Und tatsächlich säuft eines Tages solch ein Menschenmann vor ihren Augen fast ab. Das freundliche Nixchen ergreift seine Chance und verhilft dem Prinzen ans rettende Ufer.
Bei allem Charme, den die kleine Wasserfamilie gleich verströmt, beeindruckt die Inszenierung der „Kleinen Meerjungfrau“ am Konstanzer Stadttheater zunächst durch ihr Bühnenbild. Ein meerblauer Vorhang wölbt sich tief in den Bühnenraum hinein, auf ihm spielen Lichteffekte wie an einem Sommertag auf der Seeoberfläche. Marie Holzer hat eine zauberhafte Tiefseewelt geschaffen, in der dieses riesige Stück Stoff die Hauptrolle besetzt. Dass sie der kleinen Meerjungfrau plötzlich kalt und dunkel vorkommt, liegt allein an ihrer Sehnsucht nach dieser anderen Sphäre, die der Menschen.
Jessica Rust spielt ein zartes, verträumtes Ding, auf den ersten Blick eines der üblichen weiblichen Märchenwesen, lieb, und unschuldig. Keine dieser modernen Prinzessinnen, die frech ihren Weg gehen. Hier werden ganz leise Töne laut, hier wedelt die Zeit dahin wie die Meerjungfrauen mit ihren Fischschwänzen. Wellenbewegungen durchlaufen die Schauspielerinnen. Unter Wasser folgt der Lauf der Dinge den Gesetzen der Stille.
Da kommt also dieser Prinz herabgetrudelt. Michael J. Müller und Jessica Rust umweht etwas Traumwandlerisches, wie sie aufeinander zugehen und dann doch aneinander vorbei. Wie dieser Partyprinz, der mit seinen knielangen Hosen und dem gestreiften Hemd wohl nicht ganz zufällig etwas Englisches an sich hat, immer wieder stutzt, als würde er in ihren blauen Augen etwas lesen. Er kann das Mädchen aus dem Meer, das seinen Aufstieg in die Menschenwelt bei der Meerhexe (Thomas Ecke) mit ihrer Stimme bezahlt hat, einfach nicht verstehen.
Johannes Schmid, der das Andersen-Märchen in der Bearbeitung von Silvia Armbruster als diesjähriges Weihnachtsmärchen inszeniert hat, arbeitet diese zarte Liebesgeschichte nach und nach heraus, ohne überflüssiges Spektakel, wobei es der Aufführung nicht an Witz fehlt. Da sitzen zwei Musiker mit Taucher- und Schwimmbrille links und rechts am vorderen Bühnenrand und begleiten die Szenen mit einer eigens komponierten Unterwasserklangwelt. Insbesondere Jörg Waleschs Geige macht vernehmbar, wofür die Worte fehlen. Pascale Martin hat den Meerfrauen – neben Rust noch Anna Hertz, Monika Kocher und Kristin Muthwill, die zwischen drei und fünf Rollen bestreiten, – wunderschöne Kostüme und Meeresschneckenfrisuren verpasst. Nicht zu vergessen Anna Holter, die solch wunderbare Szenen wie das Tanzfest als Schattenriss choreografierte.
Alles spielt zusammen in dieser Aufführung des Märchens, das auf kein gewöhnliches Happy End zuläuft. Die Hochzeitsglocken läuten, aber nicht für die kleine Meerjungfrau. Sie hat alles gegeben, ihre Stimme, hat ihren Fischschwanz gegen zwei Beine eingetauscht, um mit dem Prinzen, unter Schmerzen, die Nächte durchtanzen zu können, hat ihre Familie verlassen ohne Rückkehrmöglichkeit. Eine kleine Moral am Rande, wie es gehen kann, wenn man zu viel von sich selbst aufgibt in der Hoffnung auf Erlösung durch den anderen. Auf der anderen Seite jedoch die Geschichte einer großen Liebe, die mit gespannter Aufmerksamkeit und langem Schlussapplaus quittiert wurde
(Maria Schorpp in Südkurier vom 23.11.2010)