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Stage

Der Kontrabass

von Patrick Süskind

 

mit: Stefan Wilkening
Regie: Johannes Schmid
Ausstattung: Isabelle Kittnar
Licht: Sabine Breuer
Produktion: Theaterforum Gauting (Hans-Georg Krause)

 

Premiere: 31.01.2013, 20 Uhr, Schlossberghalle Starnberg

 

www.theaterforum.de

 

Erfolgsschriftsteller Patrick Süßkind („Das Parfüm“) erzählt in „Der Kontrabass“ über das Leben eines Hinterbänklers im städtischen Orchester. Er ist der Orchesterbeamte mit bescheidenem Talent, der sich mit seinem Zaudern sowohl in der Musik als auch bei der Liebe immer wieder selbst im Wege steht. Sein Instrument ist sein einziger Freund, seine Geliebte und doch gleichzeitig sein größter Feind! Das ist Slapstick pur, Milieukomik, brillante Sprachbeherrschung und soziale Analyse in einem! Und eines der erfolgreichsten Stücke auf deutschsprachigen Bühnen überhaupt. Während normalerweise der Kontrabass im Orchester untergeht, hat Süskind ihm hier zu einem grandiosen Solopart verholfen!

Presse

 

Kontrabass, lebenslang
Den Bademantel legt er als erstes ab, noch ehe er den Raum betritt, seinen Bühnenraum, die schallisolierte Schaumstoffzelle: Stefan Wilkening in „Der Kontrabass“. Patrick Süskinds Erfolgsstück feierte heute abend in der Regie von Johannes Schmid als erste Eigenproduktion des Gautinger Theaterforums Premiere in der Starnberger Schlossberghalle. Der „Kontrabass“? Nochmal? Geht das denn?
Das geht. Wenn man die Akzente anders setzt als in den vielbekannten Aufführungen andernorts. Schmid richtet das Augenmerk auf jene Momente, in denen sich das ungeliebte Kind zeigt, das aus purer Verzweiflung mit dem Kontrabass die viel zu große, viel zu kühle – und kaum zu temperierende – Mutter vergewaltigt. Jene Momente, in denen das Innere aufbricht unter dem Kraftgehabe des Kontrabassisten. Kostbare, ehrliche, zarte Momente. Es hätte nicht unbedingt Musikeinspielungen aus dem Irgendwo gebraucht, um diese Momente zu kennzeichnen: Stefan Wilkening gelingt es auch ohne akustische Einfärbung, die Bruchstellen freizulegen und die große Verletzlichkeit unter der kontrabassstarken Lackschicht zu zeigen. Wenn er am Boden kauert, der Aufnahme zuhörend, die er per Schallplatte vorführen will, das Kontrabasskonzert von Carl Ditters von Dittersdorf, und dazu wie ein trauriges Kind Grimassen schneidet, wird so ein Moment deutlich. Wenn er an der Wand lehnt und das verhasste Instrument anschaut wie einen Menschen, der ihm immer nur den Rücken zukehrt, ebenfalls. Oder wenn er sich, langsam sich entfernend, immer wieder überraschend nach dem Instrument umdreht, als sei er sicher, dieses dabei zu ertappen, wie es sich über ihn lustig macht: das sind die Augenblicke des verletzten Kindes, die wie ein Bassklang unter der Inszenierung liegen.
Natürlich wäre Wilkening nicht Wilkening, wenn er die clownesken Elemente unter den Teppich resp. hinter die Schallschutzwand kehren würde. Er gewinnt dem Spiel mit dem und um den Kontrabass so viel Komik ab, wie diese besondere Beziehung eben hergibt. Wenn er um das Instrument herumtänzelt, seine Klänge mal als herannahenden Haifisch, mal als freischwebenden Elefantentanz mimt, dann sieht das irrwitzig aus und erinnert an Karl Valentins Gesten. Trotzdem hält er immer die Balance zwischen Komik und Tragik: dieser einsame Tuttist vom dritten Pult lebt mit seinem unförmigen Instrument die gesamte Tragikomik eines langjährigen Ehegatten, dem am Standesamt aus Versehen die falsche Frau zugeteilt wurde und der nun aus reinem Trotz noch immer mit der längst Verstummten Tisch und Bett teilt.
Einsamkeit. Das ist über dem Bassklang das immer wieder anklingende zentrale Motiv dieser Inszenierung. Das Drama des gescheiterten Künstlers offenbart sich hier im niemals selbst gewählten Turm, der auch nie aus Elfenbein war, sondern so isoliert werden musste, dass nichts hinein- und nichts hinausdrängt. Kerkerhaft, lebenslang. Bühnenbildnerin Isabella Kittnar hat die Zelle zu diesem Urteil gebaut, einen aus Schaumstoffelementen bestehenden schwarzen Würfel, schallisoliert wie ein professionelles Tonstudio. Wie Abzählkreidestriche von Gefangenen stecken Schallplatten in der Schaumstoffwand, Sammelstücke einer abgesonderten Existenz. „Ich habe es mir nicht freiwillig ausgesucht“, betont der Kontrabassist, das Leben mit seinem Instrument meinend, wiederholt. Sein ganzes Leben hat er sich so nicht freiwillig ausgesucht. Als ob das je möglich wäre: die Weichen stellt sich das Leben selber. Und die einen fahren dann bis hoch zum Dirigentenpult, die anderen geraten tief hinein ins Dunkel des Orchestergrabens, dort, wo die Solisten sie selbst von der Rampe aus nicht erkennen. Da braucht es mehr als Mut, von hier aus einmal die Stimme zu erheben und sich einzumischen. Da reichen vier, fünf Flaschen Bier nicht aus, um das zu wagen. Und so wird dieser Kontrabassist weiter an sein Instrument gefesselt bleiben, er wird es nicht loswerden, niemals. Ein spannender, dichter Theaterabend, getragen von einem großartigen Schauspieler.
(Sabine Zaplin auf am 31.01.2013 Nach(t)kritik)

 

Der Theaterbotschafter: Stefan Wilkening spielt Süskinds ‚Kontrabass‘
Wer Stefan Wilkening engagiert, der bekommt auch einen Wilkening-Abend: Das große Gesicht mit den vielen Knautschzonen; die Augenbrauen, die über weit aufgerissenen Augen bis fast an den Lockenansatz wandern. Und diese Arm- und Handbewegungen von äußerster Expressivität, die jedwede Form der Erregung auf direktem Weg gen Publikum ventilieren. Dazu die sonore Stimme, bei der nicht nur der Bayern- 2-Hörer kurz zusammenzuckt, bis er sich vergewissert hat, dass jetzt weder Doku noch Hörstück, sondern – wie zu Dorns Münchner Zeit – tatsächlich Wilkening-Theater ansteht. Insofern ist der Gautinger Verein Theaterforum, der sich sonst mit der Einladung engagierter Gastspiele begnügt, bei seiner ersten Eigenproduktion kein Risiko eingegangen. Als Quasi-Einheimischer war dem Verein der am Starnberger See Wohnende sowieso gut bekannt.
Quasieinheimisch ist auch Patrick Süskinds Einakter ‚Der Kontrabass‘, in dem Nikolaus Paryla seit der Münchner Uraufführung 1981 noch immer gelegentlich zu sehen ist. Mit kaum einem Wort zu viel hinter die schönen Lügen blickend, die wohl jede mediokre Existenz kaschieren, ist der Monolog eines niederen Orchesterbeamten noch immer bestes Kraftfutter für einen, der aufblüht, wenn er Theaterbotschafter sein darf. Besonders in seinen (musikalisch begleiteten) Soli für Kinder, etwa mit dem ‚Rennschwein Rudi Rüssel‘ und dem Zauberer Catweazle, ist der Schauspieler, der beinahe Priester geworden wäre, in seinem Element. Monologe weiten sich bei ihm stets zum Dialog mit einem Publikum, dem er unbedingt etwas mitteilen will. Bei Süskinds Kontrabassisten, dem zwischen dem dritten Pult des Orchesters und seiner schallisolierten Einzimmerwohnung sein Leben abhanden kommt, ist das Mitzuteilende vielseitig.
Auch in der Starnberger Schlossberghalle: Schritt für Schritt reißt Wilkening dort dem semibegabten Musiker, dessen einziger Gefährte ein Instrument ist, das Eskapaden bräsig im Weg steht, schwielige Finger macht und aussieht wie ‚ein fettes altes Weib‘, die Masken ab. Wobei schon der anfänglich demonstrierte Stolz auf die Bässe, die er dem Zuhörer als Fundament von Brahms“ zweiter Symphonie verkauft, von seinem eigenen Habitus konterkariert wird. Andauernd zieht er sich seine Jogginghose zurück über die Plautze und köpft eine Bierflasche nach der anderen, die er aus dem Boden seines würfelförmigen Bühnenkerkers zieht, den Isabella Kittnar aus Schallschutzplatten errichtet hat.
Johannes Schmid, der Wilkening auch schon als Don Quijote inszenierte, legt den Akzent auf jene Momente, in denen sich das Minderwertigkeitsgefühl als verbitterter Gefährte der Selbstüberschätzung erweist. Wie sich das Ego-Würstchen verbal aufbläst oder ein immenses Spezialwissen zum Hemmschuh wird, weil es einsamer macht als gar kein Wissen, das spielt Stefan Wilkening wie ein trauriger Clown, der nicht mehr an den Sieg gegen seine persönlichen Windmühlenflügel glaubt. Als spaßige Unterhaltung funktioniert das gut. Und wer mag, kann mit diesem Kontrabassisten auch in seine eigenen Abgründe blicken.
(Sabine Leucht in Süddeutsche Zeitung vom 04.02.2013)

 

Hassliebe auf vier Saiten
Der Münchener Johannes Schmid inszenierte dieses grandiose Psychogramm eines frustrierten und dysphorisch gereizten Musikers und der Hassliebe zu seinem viersaitigen Streichinstrument. Mit dem Schauspieler Stefan Wilkening fand der Film- und Theaterregisseur eine geniale Besetzung in diesem amüsant bizarren Seelenprotokoll.
(ovb-online am 04.05.2012)
http://www.ovb-online.de