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Stage

Der Process

nach dem Roman von Franz Kafka

 

Dramatisierung von Ruth Bader und Johannes Schmid

 

Regie: Johannes Schmid
Ausstattung: Michael S. Kraus
Musik: Christian Heiß
Choreographie: Anna Holter
Dramaturgie: Ruth Bader

 

Mit: Alexander Peutz, Jana Alexia Rödiger, Johannes Merz, Odo Jergitsch und DJ Martin Tenschert

 

Premiere am 06.12.2008, 20 Uhr, Theater Konstanz/Spiegelhalle
über 70 Vorstellungen in zwei Spielzeiten!
Gastspiele auf den Theatertagen Baden-Württemberg 2009 in Freiburg und beim „Fit fürs Abi“-Festival Theater Baden-Baden 2010.

 

Eines Morgens – noch vor dem Frühstück – wird Josef K. verhaftet. Für ihn beginnt ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt: Ohne sich einer Schuld bewusst zu sein oder sie ergründen zu können, zieht sich der nun beginnende Prozess durch sein ganzes Leben. Immer enger wird das Netz, dass sich um K. spinnt. Jeder Mensch in seiner Umgebung scheint plötzlich mit dem Gericht in Verbindung zu stehen. Doch welche Instanz steckt hinter alledem?

 

www.theaterkonstanz.de

 

Die Stückfassung von Ruth Bader und Johannes Schmid ist erhältlich über den Theaterstückverlag München.

„Der Prozess“ von Franz Kafka kommt in der Konstanzer Spiegelhalle als dichtes Schauspiel auf die Bühne. Eine Geschichte ohne Erlösungspotenzial, deren Vermittlung aber überraschend Anlass zur Euphorie bietet. Da ist dieser Josef K. wieder, verdammt wie der Fliegende Holländer, ohne doch je Gott oder die Welt gelästert zu haben: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ (…)

 

Zwischen dem Auftreten einer fremden Macht, die sich als „Gesetz“ Josef K. aufdrängt, und jener Türhüter-Parabel entwickelt sich in der Konstanzer Spiegelhalle in der Regie von Johannes Schmid „Der Proceß“ als dichtes Schauspiel, das wie eine Liturgie die strenge Form mit emotionalen Wirrnissen zu verbinden weiss, ohne jedoch Erlösung zu prophezeien; eine Messe, die Gültigkeit für sich in Anspruch nimmt, gerade und vor allem dann, wenn nach der „Türsteher-Parabel“ eine lang anhaltende Stille wie ein Abgrund klafft.

 

Alexander Peutz, gross und schlank von Natur, wirkt im grauen Anzug mit Weste, schwarzer Krawatte und steifem Kragen mit seinen verhaltenen Bewegungen auf einmal wie ein altersloser Mann ohne Leben, eingezwängt in Stereotype – ein Josef K., wie man ihn sich künftig denken wird. Auf kleinstem Raum wird in der Spiegelhalle Seelenleben ent- und wieder verworfen. Michael S. Kraus hat ein reduziertes Bühnenbild entworfen, das dem All-In-One-Phänomen gehorcht und verblüffend ästhetisch ausfällt: die Struktur von Lattenrosten gibt das Grundmuster einer rund konzipierten und auf Rollen laufenden Bank ab, in deren Mitte sich eine schräge Ebene erhebt, die klappbar ist, auch als Dach oder Gefängnisgitter funktioniert. Licht trennt feinsinnig oder taucht Kafkas Welt in Traumbilder ein, entrückt und verbindet. Wie das Licht wirkt auch das Konglomerat aus Musik und Geräuschen, das Christian Heiß komponiert hat und das DJ Martin Tenschert live zur Vollendung treibt. Eine Sinfonie, in die die vier Schauspieler mit herausragender Spielkunst eingreifen. Jana Alexia Rödiger, Odo Jergitsch und Johannes Merz übernehmen in wechselnden Rollen diejenigen Figuren, die Josef K. als Aspekte einer undurchschaubaren Schuld und der sich daraus abgeleiteten Gerichtsbarkeit erlebt. Graue Anzüge auch hier – hinter der jederzeit exakten Körperarbeit steht auch die Choreografin Anna Holter.

 

Schliesslich Kafkas Text als Urgrund dieses Theaterabends: wer sich bisher von der quälenden Atemlosigkeit dieser Sprache hat abschrecken lassen, wird hier fündig, um nicht zu sagen: gläubig. Alexander Peutz, auf den dieser Josef K. gebündelt bleibt, spricht Sätze, die strahlend wie Silber sind, auch wenn es um den Zusammenbruch von Ordnung durch ein Übermass an Ordnung geht. Die Türhüter-Parabel nimmt ein Ende, das fatalistisch gedeutet werden kann, aber auch zum entschiedenen Widerstand aufrufen könnte. „Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn“, wird dem Einlass-Begehrenden nach lebenslangem Warten beschieden. Wenn sich die Türen nach der Aufführung schliessen, kann man sicher sein, dass sie wieder geöffnet werden. Ein Glück, das Kafka sich nicht erträumt hätte.

(Brigitte Elsner-Heller in Thurgauer Zeitung vom 08.12.08)

 

‚Das war so gruselig, ich hab‘ mir auf die Unterlippe gebissen‘, erzählt eine Schülerin im Foyer nach dem Gastspiel „Der Process“. Doch zugleich leuchten ihre Augen beeindruckt. Kein Zweifel: Das Ensemble vom Jungen Theater Konstanz hat mit seiner Bühnenversion von Franz Kafkas Roman das Publikum in seinen Bann gezogen – der heftige Schlussapplaus sprach Bände. In der Tat vermittelte die Inszenierung von Johannes Schmid eindrücklich die albtraumhafte Atmosphäre der Geschichte von Josef K. (…). Schmid gelingt es, mit sparsamen Bühnenmitteln die bizarre Stimmung von Kafkas Prosa zu vermitteln. Das sehr stimmig besetzte Ensemble kommt mit geradezu uniformen schwarz-weiß-Anzügen aus (Ausstattung: Michael S. Kraus) und verwandelt sich – von Alexander Peutz als K. abgesehen – von Szene zu Szene in die skurrilen Figuren, denen der zunehmend verunsicherte K. begegnet. Jana Alexia Rödiger brilliert als mehrfache weibliche Versuchung (…), erleichternde Lacher im düstern Treiben erntet v. a. Odo Jergitsch (…), der als bigotte Vermieterin Frau Grubach mit gezierter Fistelstimme ein komisches Kabinettstückchen hinlegt. Das Spektrum von Johannes Merz reicht vom eiseigen Untersuchungsrichter bis zum beklemmend verängstigten Antragsteller. Und Alexnder Petuz ist ein hoch geschossener, durchaus selbstbewusster K., der erst angesichts der erlebten Unverschämtheiten heftig aufbraust, dann aber immer häufiger wie ein gescholtener Junger mit angezogenen Beinen auf der abschüssigen Mittelfläche kauert. Das runde Holzgatter, auf dem das Spiel stattfindet, entpuppt sich als drehbares Rad, das nicht nur als Metapher für den Teufelskreis der Situation das Stück bebildert.

(Andreas Jüttner in BNN vom 27. Januar 2010)